Angststörungen
Ausgeglichenheit bedeutet Lebensqualität
Autor: JÜRG LENDENMANN
Übermässige Angst wirkt sich negativ auf unser Leben aus. Die Behandlung einer Angststörung, auch während frühen Stadien, wirkt sich positiv auf die Lebensqualität aus.
«Angst ist eine der zentralsten menschlichen Emotionen. Und sie lässt sich nur zum Teil bewusst steuern», erklärte PD. Dr. med. Christian Imboden am Pharmaziekongress pharmaDavos. «Etwas, das Angst auslöst, kann uns zur Flucht oder zum Angriff veranlassen. Dabei werden körperliche Reaktionen aktiviert, noch bevor wir die Gefahr bewusst wahrnehmen. Angst kann uns aber auch vor Gefahren schützen und Gedanken an Gefahren können uns vor überstürztem Handeln bewahren.»
Drei Hauptkomponenten der Angst
«Angst hat drei Hauptkomponenten, die die Physiologie, die Kognition und das Verhalten betreffen», sagte Imboden. «Ein erhöhter Sympathikustonus lässt normale physiologische Prozesse überschiessen, was Atembeschwerden, Herzklopfen, Übelkeit, Schwitzen und weiteres auslöst.» Auf kognitiver Ebene komme es zu einer dysfunktionalen Bewertung normaler Prozesse, die sich zum Beispiel in der Angst vor einem Herzinfarkt oder vor dem «Verrücktwerden» äussert. Schliesslich wird die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Körper oder Stressor gerichtet, was zu Leistungs- und Konzentrationsstörungen führt. Alle drei Komponenten können in einen «Teufelskreis der Angst» münden.
Vielfältige Angststörungen
«Angsterkrankungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt», sagte Imboden. Das Diagnosemanual ICD-11 unterscheide zwischen verschiedenen angst- oder furchtbezogenen Situationen:
- Panikstörung: Wiederholte unerwartete Panikattacken, die nicht auf bestimmte Reize beschränkt sind. Die «Angst vor der Angst» sei dabei oft belastender als die Panikattacke selbst, so Imboden.
- Agoraphobie: Angst vor öffentlichen Orten resp. vor Situationen, in denen eine Flucht schwierig ist.
- Soziale Phobie: Angst vor sozialen Situationen.
- Spezifische Phobien sind Angststörungen, die sich auf spezifische Objekte, Tiere oder Situationen beziehen.
- Generalisierte Angststörungen (GAD) sind durch anhaltende Sorgen und Beklemmung geprägt, die sich zusätzlich in vegetativen Symptomen wie Muskelverspannungen, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen äussern, die abgeklärt werden sollten. Imboden erklärte, die familiäre Häufung zeige, dass die Genetik bei GAD eine Rolle spiele.
- Subsyndromale Angststörungen, die die Diagnosekriterien nicht zu 100 Prozent erfüllen, würden zu Leidensdruck und einer Beeinträchtigung im Alltag führen. Darüber hinaus sei die Entwicklung einer voll ausgeprägten Störung häufig. «Bei Angststörungen besteht eine hohe psychiatrische Komorbidität: Bei 60 Prozent entwickeln sich eine weitere Angststörung oder eine Depression; zudem besteht ein dreifaches Risiko für Suchterkrankungen.»
«Angsterkrankungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt.»
Behandlung von Angststörungen
«Idealerweise werden bei der Behandlung von Angststörungen die mit wesentlichen Einschränkungen einhergehende Psychotherapie und Pharmakotherapie kombiniert», sagte Imboden. Eine gute Beratung sei wichtig, da Angstpatienten oft auch Angst vor der Einnahme von Medikamenten hätten. Sie sollten darüber aufgeklärt werden, dass die unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nicht gefährlich seien und wieder verschwinden. Es werde empfohlen, die Dosis langsam zu erhöhen oder ein Medikament mit geringen UAW zu wählen.
Benzodiazepine führten zwar zu einer sofortigen Anxiolyse, aber ebenfalls zu einer raschen Abhängigkeit. In der Schweiz steige die Zahl der Benzodiazepin-Verschreibungen mit zunehmendem Alter der Patienten; in der Westschweiz liege der Anteil bei über 80-Jährigen bei 30 Prozent.
Therapie der subsyndromalen Angst
Als verträgliche und wirksame Ansätze bei subsyndromaler Angst nennt Imboden:
- Lebensstiländerungen (Bewegung, Schlafhygiene, Achtsamkeit, Spiritualität, Religiosität)
- Psychotherapie (persönlich oder online, Einzel- oder Gruppentherapie)
- Pharmakologische Therapie (mit dem Lavendelöl-Präparat Silexan®, dessen Wirksamkeit durch randomisierte klinische Studien belegt ist; geringe Nebenwirkungsrate, kein Suchtpotenzial)
Beratung in der Apotheke
Wichtige Fragen, die den Kundinnen und Kunden gestellt werden können, seien: Wann tritt Ängstlichkeit auf? Seit wann? Was sind die Symptome? Gibt es Vermeidungsverhalten? Werden Medikamente eingenommen? Besteht eine (auch frühere) diagnostizierte Erkrankung (körperlich, psychisch)?
Bei der Beratung solle auf die Angst als natürliches Symptom hingewiesen werden. Zur Aufklärung können Informationsbroschüren abgegeben werden. Weiter sei auf einen gesunden Lebensstil mit Bewegung, Entspannung und Achtsamkeit hinzuweisen sowie auf Phytopharmaka mit dem Wirkstoff Silexan®.
Lavendelöl oral – Silexan
Lavendelduft im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis verringert nachweislich die Angst der Patienten vor der Behandlung. Silexan® (ätherisches Öl von Lavendula angustifolia) besteht zu 90 Prozent aus den Wirkstoffen Linalool und Linaylacetat. Sie zeigten einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Pregabalin und ihre Wirkung ähnelt der von Paroxetin und Lorazepam. Da die häufigsten UAW neben allergischen Hautreaktionen gastrointestinale Beschwerden (vor allem Aufstossen) sind, wird empfohlen, Silexan® mit den Mahlzeiten einzunehmen und dabei auf kohlensäurehaltige Getränke oder heisse Getränke zu verzichten.
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