Cannabis

Droge oder Medizin?

Autor: DR. ALEXANDER VÖGTLI, APOTHEKER

Während Cannabis früher vor allem als Rauschmittel bekannt war, werden Zubereitungen aus dem Hanf heute auch medizinisch genutzt. Medizinisches Cannabis ist verschreibungspflichtig und es ist keine Ausnahmebewilligung mehr erforderlich.

Beim Thema Cannabis denken wir häufig zuerst an seine missbräuchliche Verwendung als Droge und es drängen sich Bilder von rauchenden Joints oder dem illegalen Anbau in Indoor-Plantagen auf. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation aber geändert und verschiedene vom Hanf gewonnene Arzneimittel können jetzt auch legal medizinisch genutzt werden; dies nach dem generellen Verbot in den 1950er-Jahren.

Dass Rauschmittel mit einer natürlichen Herkunft als Medikamente eingesetzt werden, ist nicht ungewöhnlich. Beispiele sind das Morphin aus dem Schlafmohn, welches ein wichtiges Schmerzmittel ist, und das Kokain, das lokal betäubend wirkt und für die Entwicklung der Lokalanästhetika eine wichtige Rolle gespielt hat. Entscheidend ist, dass die Anwendung unter ärztlicher und pharmazeutischer Kontrolle erfolgt, um einem Missbrauch und einer Abhängigkeit vorzubeugen. Die Medikamente sind deshalb verschreibungspflichtig und werden von der Arzneimittelbehörde reguliert. Seit dem 1. August 2022 ist in der Schweiz für den Bezug von medizinischem Cannabis keine Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit mehr erforderlich.

Es verhält sich also ähnlich wie bei vielen Giften, die in geringer und genau eingestellter Dosis eine Heilwirkung entfalten, in hoher Dosis aber schädlich sind.

Anzufügen ist zusätzlich, dass die Verwendung in der Pharmazie eine lange Tradition hat. So finden sich beispielsweise im Schweizerischen Arzneibuch von 1933, der Pharmacopoea Helvetica Editio Quinta, Monografien zum Hanfkraut und einer mit Alkohol hergestellten Tinktur. Auch im berühmten und einflussreichen Werk «Materia Medica» des griechischen Pharmakologen Pedanius Dioskurides aus dem ersten Jahrhundert nach Christus wird der Hanf erwähnt.

Die Hanfpflanze

Der Hanf ist eine einjährige krautige Pflanze, die aus Zentralasien stammt und heute weltweit verbreitet ist. Unterschieden werden die zwei Spezies Gewöhnlicher Hanf (Cannabis sativa) und Indischer Hanf (Cannabis indica). Auffallend an ihnen sind die handförmigen Blätter mit den gesägten Rändern. Im Unterschied zu vielen Pflanzen ist der Hanf zweihäusig, d. h., es existiert eine männliche und eine weibliche Form. Nur die weiblichen Pflanzen bilden das Harz, das als Haschisch bezeichnet wird und reich an Cannabinoiden ist. Die zwei bekanntesten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Der medizinische Name für THC ist Dronabinol.

Medizinische Anwendung

Bei der Verwendung als Arzneimittel stehen die psychoaktiven Effekte im Hintergrund. Die Zubereitungen aus den Blüten sind unter anderem gegen Übelkeit und Erbrechen wirksam, sie haben appetitanregende Eigenschaften, sind schmerzlindernd, muskelentspannend (antispastisch) und krampflösend.

In der Medizin werden die Medikamente unter anderem bei starken Muskelverspannungen (Spastik), bei chronischen Schmerzen, neurologischen Erkrankungen und zur Anregung des Appetits verwendet.

Verabreicht werden Sprays für die Anwendung in der Mundhöhle, ölige Tropfen, Lösungen und Kapseln. Auch die Blüten können heute legal verordnet und mit einem Verdampfer inhaliert werden.

Im Unterschied zu THC löst das Cannabidiol (CBD) keine Euphorie aus, sondern wirkt ihr sogar entgegen. Es wird unter anderem für die Behandlung spezieller Formen der Epilepsie im Kindesalter, als Beruhigungsmittel, gegen Angststörungen und zur Förderung des Schlafs verwendet. Während es vor einigen Jahren frei verkauft wurde, sind die Präparate heute ebenfalls verschreibungspflichtig.

Unerwünschte Wirkungen

Wie andere Medikamente kann auch medizinisches Cannabis unerwünschte Wirkungen verursachen. Seine Giftigkeit ist im Vergleich aber gering und es sind keine Todesfälle bekannt. Häufige Nebenwirkungen sind zum Beispiel Müdigkeit, Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen und psychische Störungen. Das Risiko der Entwicklung einer Abhängigkeit ist bei einer bestimmungsgemässen Anwendung sehr gering.

Kinder und Jugendliche sollen im Allgemeinen nicht behandelt werden, weil während der Entwicklung Störungen des Gehirns und der Aufmerksamkeit entstehen können. Bei einer Anwendung als Rauschmittel kann eine Psychose ausgelöst werden.

Bei der gleichzeitigen Einnahme von Beruhigungsmitteln, Schlafmitteln oder Alkohol können die Nebenwirkungen verstärkt werden. Vorsicht ist auch im Strassenverkehr und bei Reisen ins Ausland geboten.

Damit die Medikamente von der Krankenversicherung bezahlt werden, ist in der Regel eine Kostengutsprache erforderlich. Sie soll vor dem Therapiebeginn eingeholt werden. Die Krankenkassen sind bisher nicht verpflichtet, die Behandlungskosten zu übernehmen.

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