Gute Nacht, US-Wissenschaft

Wissenschaftsfeindliche Politik USA

Autor: Klaus Duffner

In den USA herrscht derzeit ein wissenschaftsfeindliches Klima. Entlassungen und Kürzungen an den Universitäten treiben hochkarätige Forscher aus dem Land. Die Schweiz könnte profitieren.

Derzeit müssen besonders die amerikanischen Klimatologen, Umweltschützer und Genderforscher Repressalien erleiden, aber es sind auch viele andere wissenschaftliche Disziplinen und Gesundheitsbereiche, die einer atemberaubenden Repression ausgesetzt sind. So erhielten nach Angaben des Silencing-Science-Tracker der New Yorker Columbia Universität bereits tausende Angestellte des Department of Health and Human Services eine Kündigung. Auch die Arzneimittelbehörde FDA, die Gesundheitsbehörde CDC und das National Institut of Health NIH sind von massiven Kürzungen betroffen. Ziel ist, die Zahl der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen um rund 20 000 Vollzeitstellen zu reduzieren.

«Die Trump’schen Massnahmen
werden den Wissenschaftsstandort
USA nachhaltig schwächen.»
Prof. Dr. Dr. Gerhard Rogler

Abstruse Verschwörungstheorien

Inzwischen versuchen sich die Betroffenen durch eine Flut von Klagen zu wehren. Neuer Chef des Gesundheitsministeriums ist Robert F. Kennedy Jr., der bereits in der Vergangenheit durch vielerlei Verschwörungsmythen aufgefallen ist. So behauptete er fälschlicherweise, Impfstoffe würden vor der Zulassung nicht auf ihre Sicherheit getestet, der Polio-Impfstoff sei für Krebserkrankungen in den USA verantwortlich, «WLAN-Strahlen» würden Krebs verursachen, das in den USA dem Trinkwasser zugesetzte Fluorid würde den Intelligenzquotienten bei Kindern senken, Pestizidrückstände im Wasser könnten Homosexualität begünstigen, das HI-Virus sei möglicherweise gar nicht für AIDS verantwortlich und die Coronaschutzmassnahmen der (natürlich von Bill Gates geplanten) Pandemie würden dazu dienen, um 5G einzuführen. So abstrus solche Behauptungen auch sind, sie können tödliche Konsequenzen haben. So führte eine von Kennedy massgeblich lancierte Desinformationskampagne gegen die Masernimpfung im Jahr 2019 im pazifischen Inselstaat Samoa dazu, dass 83 Menschen verstarben – vor allem Babys und Kleinkinder.

Massiver Druck auf Forschungseinrichtungen

Gleichzeitig werden in den USA die Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen (und damit die unabhängige Forschung) massiv unter Druck gesetzt. Innerhalb von Tagen wurden Wissenschaftler entlassen, Fördergelder gestrichen, Informationsseiten in Internet abgeschaltet und Forschungsprojekte eingestellt.

Der Zürcher Gastroenterologe Prof. Dr. Dr. Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich berichtet in der Schweizer Zeitschrift «Ars Medici» von einem Kollegen an einer US-amerikanischen Klinik, der aufgefordert wurde, alle wissenschaftlichen Abstracts und Summarys auf Begriffe wie «diversity» zu scannen. Allerdings werde das Wort «diversity» in sehr vielen naturwissenschaftlichen Zusammenhängen benötigt, so Rogler. Zum Beispiel gibt es «diversity» ebenfalls in biochemischen Reaktionen. «Das ist aber völlig egal. Wird dieser Begriff in den Suchprogrammen gefunden, werden die Gelder erst einmal gestoppt», sagt der Mediziner. Auch die Genderforschung, beispielsweise die Untersuchung unterschiedlicher Wirkungen von Medikamenten auf Männer und Frauen, muss eingestellt werden. Bedenklich ist, dass mächtige Unternehmen mit grossen Forschungsabteilungen in vorauseilendem Gehorsam damit beginnen, Programme zur Erforschung von Wirkunterschieden von Medikamenten bei Männern und Frauen zu stoppen.

Zurück in die Schweiz

Der lange Arm der neuen US-Regierung versucht nun auch in der Schweiz wissenschaftliche Projekte zu unterbinden. So hat die ETH Zürich im März 2025 gegenüber der «NZZ am Sonntag» bestätigt, dass sie einen Fragebogen aus Washington erhalten habe. Derzeit werden an der ETH 14 Forschungsprojekte mit amerikanischen Geldern unterstützt, im Visier der US-Behörde stand jedoch nur eines. Um welches es sich handelt, wurde von der Hochschule nicht bekannt gemacht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch hier vor allem Gender-, Diversitäts- oder Klimathemen im Fokus der «Ermittler» stehen. Die Hochschulleitung hat daraufhin entschieden, den Fragebogen nicht zu beantworten.

Für die bislang weltweit führende Forschungsnation USA könnte sich die wissenschaftsfeindliche US-Politik indes zu einem Bumerang entwickeln. So wird in Europa die Forderung immer lauter, in neue Programme zur Abwerbung amerikanischer Spitzenforscher zu investieren. So hat gemäss der «Frankfurter Rundschau» die Vrije Universiteit (VUB) in Brüssel 2,7 Millionen Dollar für mindestens 12 neue Postdoc-Stellen inklusive Wohnungen für «zensierte Amerikaner» bereitgestellt. Auch die französische Universität Aix-Marseille hat 15 Plätze neu für amerikanische Wissenschaftler geschaffen, man habe dort eine «hohe Zahl» von Bewerbern. Darüber hinaus sei an den Universitäten in Lugano und Lausanne (EPFL) eine Zunahme von Bewerbungen von Forscherinnen und Forschern aus den USA zu verzeichnen, so deren Sprecher.

In der Schweiz will man bislang jedoch keine Wissenschaftler aus den USA aktiv abwerben. Gerhard Rogler sieht in seinem Fachbereich die amerikanischen Kollegen nicht auf dem Weg in die Schweiz. Im Gegensatz zu früher, als junge, hochbegabte Wissenschaftler aus der Schweiz häufig in den USA hängen geblieben seien, würden solche Forscher unter den gegenwärtigen Bedingungen häufig wieder zurückkehren wollen. «Die Trump’schen Massnahmen werden den Wissenschaftsstandort USA nachhaltig schwächen», so der Gastroenterologe. «Es braucht lange, um einen solchen Schaden wieder gutzumachen. Die Schweiz und Europa werden profitieren. Aber die Freude darüber ist getrübt.»

Newsletter

Jetzt anmelden!