Moderne Wundbehandlung
Trocken oder feucht?
Texte: Klaus Duffner
Moderne Wundbehandlung Die Erhaltung einer Feuchtigkeitsbalance ist heute ein wesentliches Element in der Wundbehandlung. In sehr schwierigen Fällen können auch moderne Ersatzhäute zum Einsatz kommen. Das Wichtigste bleibt jedoch, den Ursachen der chronischen Wunden auf den Grund zu gehen.
Wunden trocken oder feucht halten? Bis 1960 galt die Devise «Wunden müssen trocken gehalten werden, um Infektionen zu verhindern». Nach 1960 gab es dann eine Kehrtwende: «Wunden sollen feucht sein.» Warum eigentlich?
Trocken oder feucht?
Tatsächlich verlaufen Heilungsvorgänge in feuchtem Milieu schneller und besser ab als im trockenen. Durch das feuchte Klima können frische Gewebezellen und Blutgefässe schneller an ihren Zielort wandern. Auch bilden sich weniger Schorf und weniger Sekundärinfektionen. Ausserdem beugt eine feuchte Wundheilung der Narbenbildung vor.
Auf der anderen Seite sorgt eine zu hohe Wundfeuchtigkeit für die übermässige Bildung von Proteasen. Das sind Enzyme, die vor allem in chronischen Wunden solche Proteine zerstören, die für die Abheilung der Wunde notwendig sind. Dies verzögert wiederum die Heilung. Zuviel Feuchtigkeit führt aber auch zur Aufweichung der Wundumgebung (Mazeration).
Die hohe Kunst ist daher, eine optimale Feuchtigkeitsbalance herzustellen und zu erhalten, wofür zahlreiche moderne Wundauflagen zur Verfügung stehen. Bei trockenen Wunden wird ein eher feuchtigkeitsspendender Verband bevorzugt, beispielsweise ein Hydrogel oder Hydrokolloid. Läuft die Wunde jedoch Gefahr zu feucht zu werden, wird eher eine Wundauflage mit hoher Aufnahmekapazität gewählt, zum Beispiel ein Schaumstoffverband, ein «Superabsorber», ein Alginat, eine Hydrofaser oder eine Paraffingaze. Solche modernen Materialien verkleben nicht mit der Wunde und ermöglichen so einen weniger schmerzvollen Verbandswechsel.
Die Suche nach den Ursachen
Das Allerwichtigste ist jedoch, die Ursache der (chronischen) Wunde zu finden und zu behandeln, denn nur so ist eine Abheilung möglich. Beispielsweise haben Ulzera (Geschwüre) an den Füssen in 60 Prozent der Fälle einen venösen, in 10 Prozent einen arteriellen, in 20 Prozent einen gemischt venös-arteriellen und in 10 Prozent einen anderen Ursprung. Daher sollte bei chronischen Wunden am Bein stets eine venöse und arterielle Basisuntersuchung vorgenommen werden.
Auch der Kompressionsverband spielt eine entscheidende Rolle, denn ein schlechter Verband mit nachlassendem Druck der Binden ist oft die Ursache für schlecht heilende Wunden. In solchen Fällen können mehrschichtige Bandagen hilfreich sein, wofür ebenfalls zwei- oder dreischichtige Produkte auf dem Markt zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang versprechen Kompressionsstrümpfe gerade bei chronischen Wunden deutlich bessere Kompressionseffekte. Ganz neu ist eine Druckmessung mittels eines unter dem Verband liegenden Sensors, dessen Signal über ein Mobilfunkgerät stets die aktuelle Kompression angezeigt.
Säuberung des Wundbetts
Auch die Versorgung des Wundbetts ist ein wichtiger Teil des Wundmanagements. Der erste Schritt ist ein sogenanntes Debridement, bei dem mechanisch, chirurgisch, enzymatisch oder autolytisch alles anhaftende, abgestorbene oder verschmutzte Gewebe schonend aus der Wunde entfernt wird. Damit wird die Wundheilung angeregt und Wundinfektionen der Nährboden entzogen. Wunden sollten regelmässig gereinigt und desinfiziert werden. Bei lokalen Wundinfektionen respektive Entzündungen kommen in kritisch besiedelten Wunden Antiseptika oder Silberverbände zum Einsatz. In manchen Fällen kann auch eine antientzündliche Behandlung mit topischen Steroiden nützlich sein, nicht zuletzt, um in der Wunde einen «Heilungskick» anzustossen.
Entwicklung von Ersatzhaut
Der wohl innovativste Ansatz der modernen Wundversorgung ist die Entwicklung von Ersatzhäuten und künstlichem Gewebe. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die die Wundheilung beschleunigen, beispielsweise der Einsatz von Hauttransplantationen (Spalthaut, Vollhaut, Reverdinplastik), Keratinozytenkulturen sowie Produkten, welche die Wunde mit Wachstumsfaktoren und Sauerstoff versorgen.
Tatsächlich kommt es in nicht heilenden chronischen Wunden zu einer mangelnden Ausbreitung und Vermehrung von Hornsubstanz-produzierenden Zellen (Keratinozyten) und Bindegewebszellen (Fibroblasten), aber auch zu einer schwachen Reaktion auf bestimmte Signalmoleküle. Zusätzlich hemmen sogenannte Matrix-Metalloproteinasen die Wundheilung.
Unter den Hautersatzverfahren unterscheidet man lebende, biologisch aktive und biologisch inaktive Membranen. Erstere können lebende menschliche Fibroblasten und Keratinozyten enthalten, die eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren produzieren, um damit andere Zellen anzulocken. Als Stützsubstanz wird Rinderkollagen eingesetzt. Andere stimulieren verschiedene Zelltypen und fungieren als regelrechtes «Stammzellmagnet». Auch sehr schwer heilende Wunden wurden mit solchen Ersatzprodukten schon in den Griff bekommen.
Die gängigsten biologisch nicht lebenden Membranen stammen von tierischen Geweben wie Schwein, Fisch oder Schaf. Das Prinzip: Die Tierhäute besitzen entzündungshemmende, antimikrobielle Eigenschaften, schützen die Wundheilung, dienen als Baugerüst für die Zelleinsprossung und werden nach und nach von körpereigenen Zellen ersetzt.
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