Freunde
Wegbegleiter fürs Leben
Autor: FABRICE MÜLLER
Freunde Sie begleiten einen oft ein ganzes Leben lang. Deshalb sind Freunde für viele Menschen eine Herzensangelegenheit. Damit aus zwei Menschen Freunde werden, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.
Freundschaften sind freiwillige, informelle, wechselseitige, zumeist positive Beziehungen vorwiegend ohne offene Sexualität. Damit unterscheiden sich Freundschaften von Familien-, Partner- und Arbeitsbeziehungen. «Sowohl in ihrer Anzahl als auch Funktion verändern sich Freundschaften über die gesamte Lebensspanne. Im Durchschnitt nimmt die Zahl der Freunde im Jugendalter deutlich zu und verringert sich dann wieder», stellten Franz J. Neyer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Cornelia Wrzus von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Rahmen ihrer Arbeit «Psychologie der Freundschaft» fest. Ebenfalls sinke die Kontakthäufigkeit vom jungen Erwachsenenalter bis ins hohe Alter. Beste Freundschaften werden in der Regel in jungen Jahren geschlossen und halten lange. Bereits 14- bis 17-Jährige, die einen besten Freund bzw. eine beste Freundin haben, sind mit ihm/ihr im Durchschnitt bereits seit sieben Jahren befreundet; bei Personen ab 60 Jahren dauert die beste Freundschaft im Durchschnitt bereits 39 Jahre. Zu diesem Resultat kommt die Jacobs Studie «Freunde fürs Leben».
«Vertrauen ist die Grundlage
jeder echten Freundschaft.»
Freund und Fürsprecher
Was steckt hinter diesem unsichtbaren Band der Freundschaft, das zwei Menschen verbindet? Diese und viele andere Fragen waren es, die den Psychologen und Unternehmensberater Philipp Johner aus Zürich veranlassten, sich mit dem Thema Freundschaft zu beschäftigen und ihm gar ein Buch zu widmen. Der Buchautor definiert Freundschaft als der Freund und Fürsprecher des eigenen Potenzials. «Freundschaft ist das Wachstumselixier, das stabilisierend wirkt. Ein Freund wirkt aufbauend, wenn man ihn braucht.» Freundschaften spielen bereits im Kindesalter eine wichtige Rolle. Kinder entwickeln ab dem zweiten Lebensjahr Vorlieben für andere Kinder, sagt Moritz Daum, Professor für Entwicklungspsychologie der Universität Zürich. «Ob das eine mit dem anderen Kind spielen möchte, hängt vor allem davon ab, ob es in der Nähe wohnt und in welchem Kontakt die Eltern zueinanderstehen.» Dies ändere sich dann in der Pubertät, wo Freundschaften mehr an Personen gekoppelt sind.
Gegenseitige Verbundenheit
Gemeinsame Interessen, Schicksale oder gegenseitige Verbundenheit bilden in vielen Fällen das Rückgrat für eine langjährige Freundschaft. Doch es braucht noch mehr, damit aus zwei Menschen echte Freunde werden. Für Moritz Daum spielt die gegenseitige Sympathie eine wichtige Rolle, aber auch die Fähigkeit, die andere Person zu verstehen und empathisch zu sein. Weiter baue eine echte Freundschaft auf Vertrauen auf; sie bildet die Grundlage für eine langfristige Beziehung. Nicht nur Freunde sind sich in ihren äusserlichen Eigenschaften, Interessen oder im Alter ähnlich – sogar die Gehirne von miteinander befreundeten Menschen «ticken» offenbar gleich, wie Studien ergeben haben. Gemäss einem Bericht auf wissenschaft.de bezeichnen Forscher dieses Phänomen als «Homophilie». Sie steht für die Vorliebe für Gleiches bei Freunden. «Eine Vielzahl von Belegen deutet darauf hin, dass diese Homophilie ein sehr altes Organisationsprinzip ist – möglicherweise sogar eines der auffallendsten Merkmale menschlicher Gesellschaften», erklären Carolyn Parkinson von der University of California in Los Angeles. In einem Experiment mit 279 Studierenden wurde deutlich: Je enger die Teilnehmenden befreundet waren, desto ähnlicher waren ihre neuronalen Reaktionen auf eine Reihe verschiedener Videoclips.
Bereit sein, sich auf andere Menschen einzulassen
Jeder Mensch ist in der Lage, Freundschaften zu pflegen. Doch manchmal braucht es Geduld, bis man dieser Person begegnet. «Viele Menschen sehnen sich nach Freundschaft, haben aber keine Ahnung, wie man eine Freundschaft aufbaut und pflegt», stellt Philipp Johner fest. «Ob man Freunde findet, hängt stets von der eigenen Einstellung und Bereitschaft, sich auf einen anderen Menschen einzulassen, ab», betont der Buchautor und Psychologe. Die Freundschaft sei ein Handwerk, das man lernen könne. Entscheidend für eine gute Freundschaft sei zum Beispiel das Innenverhältnis, also die Beziehung zu sich selbst und die Fähigkeit, sich selbst zu stellen. Übrigens: Soziale Kontakte seien gut für das Wohlbefinden, sagt Prof. Dr. Jana Nikitin vom Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien. Grund: «Einsame Menschen sind häufiger krank, haben mehr Stress – und sterben früher.»
Wie finde ich neue Freunde?
- Wenn Sie zum Bäcker gehen oder sich Ihr Gemüse auf dem Wochenmarkt kaufen, bemühen Sie sich, mit den Menschen, denen Sie begegnen, zu sprechen. Diese offene Einstellung wird Ihnen helfen, neue Leute kennenzulernen, was wiederum Ihre Chancen auf neue Freunde erhöht.
- Small Talk ist eine gute Möglichkeit, um neue Leute zu treffen. Man sollte in der Lage sein, auch über die profanen Dinge des Lebens zu plaudern.
- Lernen Sie die Menschen kennen, die Sie interessieren. Machen Sie den ersten Schritt. Schreiben Sie diese Personen einfach an und schlagen Sie ein Treffen vor.
- Laden Sie Menschen zum Essen ein, kochen Sie etwas oder organisieren Sie ein Frühstück in einem Café. Jeder soll gerne noch jemanden mitbringen.
- Mit manchen Menschen wird man schneller warm als mit anderen. Eine Freundschaft mit aufrichtigen Menschen muss sich aufbauen.
- In Sportvereinen wimmelt es häufig von Gleichgesinnten. Sportliche Betätigung macht viel mehr Spass in Begleitung. Es lohnt sich also, sich einem Klub oder Verein anzuschliessen.
Buchtipp

Philipp Johner
Freundschaft
Was es für ein erfülltes Leben braucht
08.03.2012, Fischer Taschenbuch Verlag, 220 Seiten, ISBN 978-3-596-19322-6, CHF 14.90
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