Pflanzengifte

Nikotin – Virginischer Tabak

Autor: MONIKA LENZER

Nikotin ist ein cholinerges Nervengift, das von einigen Nachtschattengewächsen (Solanaceae) produziert wird, um Fressfeinde abzuwehren.

In allen Teilen des Virginischen Tabaks (Nicotiana tabacum) befindet sich das giftige Alkaloid Nikotin. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Südamerika – heutzutage zieren ihre rot-weissen, glockenförmigen Blüten auch unsere Gärten von Juni bis September. Ihre Tabakblätter weisen eine ovale, lanzettliche Form auf und können bis zu 50 Zentimeter lang werden. Sie sitzen an einem behaarten Stängel, der eine Höhe von drei Metern erreichen kann.

Tödliche Dosis

Der Nikotingehalt in den Blättern liegt zwischen 0,5 bis 9 Prozent des Trockengewichts. Für den Menschen beträgt die letale Menge nach oraler Aufnahme etwa 40 bis 60 mg. Diese Angabe in der Literatur beruht allerdings auf älteren Forschungen und ist sehr umstritten. So veröffentlichte der Pharmakologe Bernd Mayer im Jahr 2014 eine Publikation, worin er den Wert auf über 500 mg ansetzte.

Schnelle Wirkung

Beim Zigarettenrauchen wird Nikotin über die Lunge aufgenommen und erreicht das Gehirn über das Blut innerhalb von wenigen Sekunden, wo es problemlos die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Nikotin stimuliert nicotinerge Acetylcholinrezeptoren im peripheren und zentralen Nervensystem. Dabei werden Dopamin und andere Neurotransmitter ausgeschüttet, was verschiedene psychische und körperliche Effekte auslöst: stimulierendes Gefühl, gesteigertes Konzentrationsvermögen, Appetithemmung, höhere Atemfrequenz und Blutdruckanstieg. Die Plasmahalbwertszeit ist dabei relativ kurz, bereits nach ein bis zwei Stunden ist die Hälfte des Nikotins wieder abgebaut.

Zu viel Nikotin

Zitternde Hände, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit bis hin zu Erbrechen und Durchfall sind die typischen Anzeichen einer leichten Nikotinvergiftung. Bei einer schweren Überdosis kann es zu einem Kreislaufkollaps kommen – begleitet von kaltem Schweiss, Krämpfen und Bewusstseinsverlust tritt der Tod schliesslich durch Herzstillstand und Atemlähmung ein.

Nach einer zu hohen oralen Dosis wird zunächst eine Magenentleerung innerhalb von zwei Stunden nach der Aufnahme empfohlen. Bei äusserlichem Kontakt mit einer konzentrierten Lösung wird zum sofortigen Abwaschen mit viel Wasser und Seife geraten. Die weiteren Massnahmen bestehen aus einer symptomatischen Kreislaufbehandlung.

Gefährlicher Arbeitsplatz

Die «Green Tobacco Sickness» wird auf Tabakplantagen vor allem bei jugendlichen Arbeitern beobachtet, die Nichtraucher sind. Wenn sie beim Pflücken oft mit frischen Tabakblättern in Kontakt kommen, kann die Resorption über die Haut eine chronische Vergiftung verursachen, da Nikotin gut über Haut und Schleimhäute aufgenommen wird. Schutzkleidung und Handschuhe sind die beste Prävention.

Siegeszug in Europa

Schon die Maya in Südamerika verwendeten die Tabakpflanze bei rituellen Zeremonien. So kamen die europäischen Eroberer ebenfalls mit Tabak in Kontakt. Im Jahr 1560 schickte der französische Botschafter Jean Nicot (1530–1604) seinem König die Samen von Nicotiana tabacum – er hielt sich lange am portugiesischen Hof auf, wo er die Heilwirkung von Tabak untersuchte. Allmählich verbreitete sich daraufhin der Anbau und das Rauchen von Tabak. Der französische Botaniker Jacques Daléchamps verlieh der Pflanze schliesslich im Jahr 1586 die lateinische Bezeichnung «herba nicotiana». Später im Jahr 1828 isolierten zwei deutsche Chemiker den Inhaltsstoff Nikotin, dessen Namen sie zu Ehren von Jean Nicot wählten.

Heutige Zahlen

Der moderne Mann um 1900 rauchte Zigaretten, die zu dieser Zeit als billiges Genussmittel erhältlich waren. Erst seit Anfang der 1970er-Jahre nahm der Anteil der Raucher in der Schweiz stetig ab, nachdem zunehmend die gesundheitlichen Risiken bekannt wurden. So zählte 1974 noch die Hälfte der Erwachsenen zwischen 15 und 74 Jahren zu den Rauchern. Im Vergleich dazu rauchten 2017 nur noch 27 Prozent der über 15-Jährigen.

Es bleibt spannend, wie sich die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen wird.

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