Sarkopenie vorbeugen
Gegen den Muskelschwund im Alter
Autor: JÜRG LENDENMANN
Der Muskelschwund kommt schleichend und wird oft erst im Ruhestand bemerkt. Es lohnt sich, auch mit 90 noch Muskeln aufzubauen, denn sie tragen viel zu Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebensqualität bei.
Eine hohe Lebensqualität im Alter hängt von vielen Faktoren ab: Gene, Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und vieles mehr. Manches wird uns in die Wiege gelegt, manches geschenkt, vieles müssen wir uns erarbeiten – ein Leben lang.
«So wie das Eisen ausser Gebrauch rostet und das stillstehende Wasser verdirbt oder bei Kälte gefriert, so verkommt der Geist ohne Übung», schrieb einst Leonardo da Vinci (1452–1519). Gleiches gilt für den Körper: So wie ein eiserner Pflug bei Nichtgebrauch Rost ansetzt und zerfällt, so baut unser Körper langsam ab, wenn wir ihn nicht trainieren und gesund ernähren. «Wer rastet, der rostet» gilt für Körper und Geist.
Muskelabbau schon mit 30
«Der Begriff Sarkopenie stammt aus dem Griechischen (sarx = Fleisch und penia = Verlust)», schreibt die Deutsche Rheuma-Liga. «Menschen mit Sarkopenie haben eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit, eine höhere Neigung zu Stürzen – und damit zu Knochenbrüchen. Zudem verschlechtert sich die Lebensqualität und es droht der Verlust der Selbstständigkeit. Sarkopenie-Patienten sterben früher als Gleichaltrige ohne altersbedingten Muskelschwund.»
Ab dem 30. Lebensjahr beginnt die Umwandlung von Muskeln in Fettgewebe von 0,3 bi 1,3 Prozent pro Jahr. «Unternimmt man nichts dagegen, gehen so rund 30 bis 50 Prozent der Muskelmasse bis zum 80. Lebensjahr schleichend verloren», erklärt der Geriater Prof. Dr. med. Cornel C. Sieber. Gegensteuern ist schwierig, denn der Stoffwechsel verlangsamt sich und der Energieverbrauch sinkt.
«‹Wer rastet, der rostet› gilt für Körper und Geist.»
Die Gene austricksen
Bisherige Studien haben gezeigt, «dass der genetische Anteil beim Bewegungsverhalten zwischen 30 und 70 Prozent liegt», sagte Prof. Dr. Markus Gerber von der Universität Basel. «Interessanterweise kommt die genetische Komponente im Erwachsenenalter mehr zum Tragen als in der Kindheit.» Der Schweizer Sportwissenschaftler verweist auf einen aktuellen Review-Artikel über die psycho-physiologischen Grundlagen von körperlicher Aktivität. «Es geht darum, Bewegungsbarrieren abzubauen, anstatt sich auf Gesundheitsziele zu fokussieren. Man sollte nach einer Bewegung suchen, die zu einem passt, und zwar so lange, bis diese Aktivität gefunden ist.»
Welche Bewegung passt zu mir?
Aber welche Aktivität ist auch für ältere Menschen geeignet? Viel zitiert wurden die «fünf der besten Workouts», die die Medizinprofessorin Dr. I-Min Lee von der Harvard Medical School empfiehlt: Schwimmen, Taiji, Krafttraining, Gehen und Beckenbodengymnastik.
Ungeübte sollten sich anfangs anleiten lassen. Mit der richtigen Technik sind die Übungen effektiver und machen doppelt Spass. Auch das Gehen gewinnt mit Achtsamkeit an Qualität – nicht nur beim Waldbaden.
Wichtig ist, sich generell mehr und regelmässig zu bewegen. Lee: «Gartenarbeit gilt als körperliche Aktivität. Dasselbe gilt für Gesellschaftstänze und das Spielen mit den Kindern oder Enkelkindern. Solange Sie täglich mindestens 30 Minuten lang irgendeine Form von Ausdauersport betreiben und zwei Tage pro Woche Krafttraining einplanen, können Sie sich als ‹aktive› Person bezeichnen.» «Erwachsene sollten sich idealerweise mindestens 2,5 Stunden pro Woche in Form von Alltagsaktivitäten oder Sport mit mindestens mittlerer Intensität bewegen», schreibt die Gesundheitsförderung Schweiz.
Ideal sind Bewegungsformen, die in der Gruppe ausgeübt werden. Zum Beispiel Taiji zur Verbesserung des Gleichgewichts, Yoga für mehr Beweglichkeit, Nordic Walking für mehr Kraft und Ausdauer. In der Gruppe fällt das Üben leichter und man hört nicht wegen Kleinigkeiten auf; ausserdem wird das soziale Netzwerk erweitert, was sich ebenfalls positiv auf die Gesundheit auswirkt.
Ernährung im Alter
Wie sich Menschen ab 60 Jahren ernähren sollten – auch um dem Muskelabbau entgegenzuwirken –, zeigen die ausführlichen Informationen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, die zum Download zur Verfügung stehen. Wichtig sind dabei:
- Eine abwechslungsreiche Ernährung mit Gemüse und Früchten in verschiedenen Farben. Sie versorgt den Körper mit wichtigen Nährstoffen.
- Da der Proteinbedarf bei älteren Erwachsenen erhöht ist, werden täglich mindestens 1,0 bis 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht benötigt. Zu jeder Mahlzeit sollte ein proteinhaltiges Lebensmittel gegessen werden. Ideal sind Milchprodukte, Eier, Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte usw.
- Da das Durstgefühl im Alter nachlässt, sollte zu den Mahlzeiten und zwischendurch Wasser getrunken werden, mindestens 1,5 Liter über den Tag verteilt.
- Es wird empfohlen, regelmässig Vitamin D einzunehmen. Beratung dazu gibt es in Apotheken und Hausarztpraxen.
- Wenn der tägliche Calcium-Bedarf nicht über die Nahrung gedeckt werden kann, sollte mit einer Fachperson über eine allfällige Calcium-Supplementierung gesprochen werden.
- Weitere wichtige Mikronährstoffe im Alter sind Folat (Vitamin B9) und Cobalamin (Vitamin B12)
Quellen
rheuma-liga.de | internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/altersbedingter-muskelabbau-wird-oft-unterschaetzt.htm | 3 unibas.ch | 4 DOI: 10.1152/physrev.00021.2024 | 5 www.health.harvard.edu/staying-healthy/5-of-the-best-exercises-you-can-ever-do | 6 gesundheitsfoerderung.ch/sites/default/files/migration/documents/Gesundheitswirksame_Bewegung_-_Grundlagendokument.pdf | 7 sge-ssn.ch/ich-und-du/essen-und-trinken/von-jung-bis-alt/alter
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