CEO im Gespräch: Dr. Urs M. Lehmann

«Apotheken werden Zusatzaufgaben übernehmen»

Autor: PHILIPP KISSLING

Dr. Urs M. Lehmann über die Auswirkungen des Hausarztschwunds, den Kostendruck und den Wunsch, mit axapharm zu wachsen.

Herr Lehmann, reden Chefs von Generikaunternehmen eigentlich mit Chefs der traditionellen Pharmafirmen?

Ja, wir kennen uns von früher und sehen uns an Meetings. Jeder versteht, dass es auch den anderen braucht. Aber ja, alle kämpfen für ihre eigenen Interessen. Wir Generikaunternehmen haben keine Freude an den jährlichen Preisvergleichen, weil sie intransparent erhoben und weil Äpfel mit Birnen verglichen werden. Im Zentrum sollten der Patient und ein zahlbares System stehen.

Sie waren lange bei den sogenannten Originatoren. Werden Sie als Fahnenflüchtiger wahrgenommen?

Nein, nein, in meiner Jassrunde sitzen sogar Kollegen von Originatoren. Die haben halt eine andere Rolle, allerdings sind die Jassteams dann doch nicht gemischt (lacht). Weil ich beide Seiten kenne, weiss ich um die unterschiedlichen Herausforderungen. Manchmal schiessen die Originatoren auch auf die Generikaindustrie, um von sich selbst abzulenken.

Was kommt in Zukunft auf die Apothekenlandschaft zu?

Ich bin der Überzeugung, dass die Apotheken mittel- und langfristig zusätzliche Aufgaben übernehmen, weil die Anzahl der Hausarztpraxen sinkt. Es braucht ein Zusatzelement, um die Leute in der Grundversorgung auffangen zu können. Die Apotheken sind prädestiniert dafür, in die Lücke zu springen, denn sie erfüllen schon heute wichtige Funktionen, beispielsweise bei Reisevorbereitungen und Voruntersuchungen.

Welche Pläne verfolgen Sie mit axapharm und wo liegen die Prioritäten?

Wir fühlen uns dem Fachhandel verpflichtet, vor allem den rund 1000 unabhängigen Apotheken und zirka 350 Drogerien. Wir wollen in der Grundversorgung ein ganzheitliches Angebot führen sowie unser Wissen zur Verfügung stellen und einen Top-Service leisten. Kürzlich lancierten wir das rezeptpflichtige Lorazepam axapharm zur Behandlung von Angstzuständen, eine Tablette, für die ein enormer Bedarf besteht. Wir testen derzeit, ob wir das Medikament auch in Form einer Schmelztablette entwickeln können. Zudem kommen zwei Arzneimittel in der Kategorie Blutgerinnungshemmer auf den Markt sowie Flami-X dolo forte mit doppelter Wirkstoffmenge gegen Gelenkschmerzen.

Ist axapharm als klassisches KMU ein Übernahmekandidat?

Das waren wir tatsächlich schon. Was nicht verwunderlich ist, denn axapharm ist eine echte Perle, mit 85 Prozent Eigenkapitalanteil und kerngesund. Der Verwaltungsrat, der gemäss Statuten in jedem Fall seine Zustimmung erteilen müsste, lehnt den Verkauf grundsätzlich ab. Hingegen können wir uns vorstellen, per Zukauf zu wachsen. Es ist jedoch schwierig, etwas Passendes zu finden, nur schon, weil das Ausland nicht unser strategisches Ziel ist, aber kaum einmal eine nur schweizweit tätige Firma zum Verkauf steht.

Sie sind Vorstandsmitglied von Intergenerika. Wozu brauchen Generika einen Verband?

70 Prozent der Grundversorgung in der Schweiz laufen über Generika. Es ist wichtig, die Interessen der Generikaunternehmen zu vertreten und politische Initiativen, die die Versorgung beeinträchtigen könnten, zu bekämpfen. Wenn der Preisdruck steigt und die kleinen Margen weiter sinken, besteht die Gefahr, dass wichtige Medikamente nicht mehr produziert werden und vom Markt verschwinden. Ein Beispiel: Wir haben im Sortiment ein Antibiotikum in Sirupform für Kinder. Dessen Herstellung ist so teuer und der regulierte Preis so tief, dass wir bei jeder Packung drauflegen. Aus ethischen Gründen und weil es kaum Alternativen gibt, behalten wir den Sirup im Sortiment. Wir haben beim Bundesamt für Gesundheit einen höheren Preis beantragt. Das BAG anerkennt das Risiko einer Versorgungslücke, dennoch stehen wir seit eineinhalb Jahren in Diskussionen.

Welche Charaktereigenschaften kommen Ihnen in der täglichen Arbeit zugute?

Ich kommuniziere gerne sowie gut und kann Leute motivieren. Um mich herum brauche ich gut strukturierte Mitarbeitende, denen ich meine Ideen vermitteln kann. Ich habe Freude an der Arbeit und begegne allen auf Augenhöhe. Und ich arbeite gerne im Team. Ich mag es, gemeinsam Ziele zu definieren, daran zu arbeiten und miteinander Erfolge zu feiern.

Zur Person

Dr. Urs M. Lehmann wuchs in Ostermundigen BE auf und studierte Tiermedizin. Als Nutztierarzt in Münchenbuchsee profitierte er von einem Chef, «der mir jeden Trick zeigte und der mir ein Vorbild war». Später arbeitete Lehmann im Tierspital Bern in der Pathologie, machte seine Dissertation und begann eine Managementausbildung. Es folgte der Wechsel in die «Originalbranche» der Pharmaindustrie, zuerst zu einem schwedischen und danach zu einem dänischen Unternehmen. Nach einem Abstecher in die Consultingbranche, «die mir wegen der Abhängigkeiten nicht gefiel», fing er vor sechseinhalb Jahren bei axapharm als CEO an.

axapharm in Kürze

axapharm wurde 2006 auf Initiative des Schweizerischen Apothekerverbands pharmaSuisse gegründet. Heute ist das Unternehmen im Besitz von 730 Aktionären, darunter sind 700 unabhängige Apothekerinnen und Apotheker sowie Apotheken, der Verband hat sich zurückgezogen. axapharma produziert mit Partnern im In- und Ausland rezeptpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel, verkauft Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika und betreibt die «Springerbörse» zur Vermittlung von Fachkräftestellvertretungen sowie «grafixpharm» für grafische Dienstleistungen und Drucksachen. axapharm hat seinen Sitz in Baar ZG und beschäftigt 40 Mitarbeitende.

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