Aconitin
Der Blaue Eisenhut
Autor: MONIKA LENZER
Er ist wunderschön anzuschauen, doch Vorsicht, der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) zählt zu den giftigsten Pflanzen Europas.
Der Blaue Eisenhut trägt seinen Namen zurecht – seine blauen Blüten haben die Form von Soldatenhelmen, die Landsknechte im späten Mittelalter trugen. Sie sitzen ährenförmig am oberen Ende des Stängels, der eine Höhe von bis zu 1,5 Metern erreicht. Weiter unten befinden sich die tief eingeschnittenen, fünf- bis siebenlappigen Blätter. In der Erde ist das Hahnenfussgewächs (Ranunculaceae) mit einer knolligen, fleischigen Wurzel fest verankert – feuchte Standorte in Gebirgsregionen in Europa, Asien und Nordamerika liebt die Pflanze besonders.
Neben dem Blauen Eisenhut ist in der Schweiz auch der Gelbe Eisenhut (Aconitum lycoctonum) bei Wanderungen in den Alpen anzutreffen. Die angeblich giftigste Pflanze der Welt ist übrigens der Himalaja-Eisenhut.
Giftstoffe unter der Lupe
Der Blaue Eisenhut enthält verschiedene Alkaloide, doch für die giftige Wirkung ist das Diterpenalkaloid Aconitin massgeblich verantwortlich. Je nach Pflanzenteil schwankt der Gehalt zwischen 0,2 bis drei3 Prozent Aconitin, wobei die Menge in der Wurzel am höchsten ist. Schon die Einnahme von 3 bis 6 mg Aconitin kann tödlich enden – dies entspricht ein paar Gramm der Pflanzenstücke. Achtung: Das Gift kann auch über die Haut aufgenommen werden.
Im Körper bindet Aconitin als Na+-Kanal-Agonist an spannungsabhängige Natriumkanäle. Dies bewirkt eine verstärkte und verlängerte Depolarisation der Zelle. Als Folge resultiert zunächst eine erhöhte Erregbarkeit, die später in eine Lähmung übergeht.
Vergiftungsverlauf
Bereits beim Kontakt mit kleinen Mengen von Aconitin wird die Mundschleimhaut lokal betäubt. Nach der Einnahme des Gifts können die ersten Anzeichen schon nach 10 bis 20 Minuten auftreten – typisch ist ein kribbelndes Gefühl im Mund, an den Zehen und in den Fingern. Im weiteren Verlauf breitet sich das Taubheitsgefühl im ganzen Körper aus. Begleiterscheinungen sind starkes Erbrechen, wässriger Stuhlgang und kolikartige Bauchschmerzen. Weitere Symptome sind Atemprobleme und Herzrhythmusstörungen. Bei starken Vergiftungen erfolgt der Tod meist durch Atemstillstand, eher selten durch Kammerflimmern. Der Betroffene ist bis zum Schluss bei vollem Bewusstsein – qualvoll muss er alle Beschwerden erleben.
Erste Hilfe
Ein Gegengift gibt es nicht, doch in den ersten zwei Stunden nach der Vergiftung wird die Gabe von Aktivkohle empfohlen. Ansonsten erfolgt eine symptomatische Therapie, wobei eine frühzeitige Intubation zur Beatmung befürwortet wird. Bei Herzrhythmusstörungen können hochdosiertes Magnesium und Antiarrhythmika wie Amiodaron zum Einsatz kommen. Da der Patient bei klarem Verstand ist, wird üblicherweise ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht.
In der Antike
Bereits vor 2000 Jahren war die giftige Wirkung des Blauen Eisenhuts bekannt. So berichtete der römische Arzt Dioskurides (um 40–90 n. Chr.), dass beim Fangen von Wölfen die Wurzelstücke eingesetzt wurden, um sie in Fleischködern zu verstecken. Für heimtückische Giftmorde wurde die Pflanze ebenfalls verwendet – daher stammt wohl auch der synonyme Name «Erbkraut». So war Kaiser Claudius (10 v. Chr.–54 n. Chr.) ein bekanntes Opfer im alten Rom. Gemäss den überlieferten Quellen wird spekuliert, dass seine vierte Frau Agrippina den Blauen Eisenhut heimtückisch unter sein Essen gemischt hat.
Medizinische Verwendung
In der Medizin wurde der Blaue Eisenhut früher bei neuralgischen und rheumatischen Schmerzzuständen eingesetzt, insbesondere bei Trigeminusneuralgie. So gab es in der Pharmacopoea Helvetica Editio IV (1907) eine Monographie über Aconitknollen (Tuber Aconiti), worin die Gehaltsbestimmung von Aconitin mittels Titration beschrieben wird. Doch aufgrund der geringen therapeutischen Breite ist dies heute obsolet. Dahingegen wird der Eisenhut in der asiatischen Medizin weiterhin traditionell verwendet – gelegentliche Vergiftungsfälle sind vorprogrammiert.
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