Mistel

Eine Pflanze mit jahrtausendealter Heiltradition und tief verwurzelten Mythen

Autor: MARTIN SAURER

Den auffälligen Pflanzen, deren kugelrunden Sträucher gerade im Winter in Baumkronen zu sehen sind, werden seit Jahrtausenden Heilwirkungen nachgesagt. Zudem ist die Mistel Bestandteil vieler verschiedener Mythen und Bräuche, die bis heute anhalten.

Vielleicht liegt es ebenfalls an der aussergewöhnlichen Wuchsform und Lebensweise der halbparasitären Pflanze, dass die Mistel immer wieder Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die geheimnisvolle Pflanze übt seit jeher eine gewisse Faszination auf uns Menschen aus. Zudem sind ihre Wirkungen einst wie heute auch medizinischer Natur.

Biologie

Die Mistel (Viscum album) ist eine immergrüne Pflanze und gehört zur Familie der Sandelholzgewächse. Auf verschiedenen Bäumen bildet sie kugelförmige Sträucher mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter. Dort gedeiht die Pflanze, indem sie ihren Wirtsbäumen Wasser und Nährstoffe entzieht. Im Gegensatz zu Vollparasiten betreibt die Mistel Photosynthese.

Im Frühjahr bilden Misteln unscheinbare, gelblich-grüne Blüten aus, die durch Insekten und Wind bestäubt werden. Im Winter wachsen weisse Beeren, die eine wichtige Nahrungsquelle für verschiedene Vögel darstellen. Die Vögel verbreiten die Mistelsamen auf andere Bäume. Für uns Menschen sind die weissen Früchte jedoch giftig.

Legenden und Bräuche

Um die Mistel ranken sich seit Jahrtausenden verschiedene Geschichten und Legenden. In der keltischen Kultur galt sie als heilige Pflanze der Druiden, die sie in zeremoniellen Ritualen mit goldenen Sicheln aus den Kronen alter Eichen ernteten. Der Mistel wurden Heilkräfte und der Schutz vor bösen Geistern nachgesagt. In der nordischen Mythologie wurde der Gott Balder durch einen aus Mistelholz geschnitzten Pfeil getötet. Das erfüllte Balders Mutter Frigg, Göttin der Liebe und Fürsorge, mit grosser Trauer. Sie weihte die Mistel der Liebe und Versöhnung. Durch die Hoffnung auf Frieden trotz tragischer Verluste wurde die Mistel so von einem Werkzeug des Todes zu einem Symbol von Vergebung, Liebe und Glück. Daraus entwickelte sich auch der Brauch, sich unter einem Mistelzweig zu küssen. Im Mittelalter galt ein aufgehängter Mistelzweig als Schutzsymbol vor Hexen und bösen Geistern. Noch heute werden vielerorts Mistelzweige als Weihnachtsdekoration über den Eingang gehängt. Diverse alte Bräuche spiegeln sich in dieser gängigen Tradition.

Inhaltsstoffe und deren Wirkung

Heutzutage ist das Hauptanwendungsgebiet der Mistel als Arzneipflanze die komplementäre Krebstherapie. Mistellektine wirken immunmodulierend; sie aktivieren verschiedene Bestandteile des Immunsystems oder erhöhen deren Wirkung. Zudem fördern sie den programmierten Zelltod von Tumorzellen. Viscotoxine wirken zytotoxisch und können so Krebszellen abtöten. Die Effektivität der oben genannten Wirkungen in der Krebstherapie ist bis heute umstritten. Durch die Anwendung von Mistelpräparaten können allerdings die Nebenwirkungen der Chemotherapie gelindert und das Wohlbefinden gesteigert werden.

Die blutdruckregulierende Wirkung der Mistel, die auch den enthaltenen Flavonoiden zuzuschreiben ist, wurde bereits im Altertum eingesetzt. So können Mistelpräparate gegen Kopfschmerzen oder Schwindelgefühl helfen, sofern die Symptome auf einen zu hohen Blutdruck zurückzuführen sind. Bei rheumatischen Beschwerden kann die Mistel durch ihre entzündungshemmende Wirkung Schmerzen lindern und die Beweglichkeit steigern.

Anwendung

Bei der komplementären Krebstherapie kommen Injektionen mit Mistelextrakten zum Einsatz. Dabei ist eine adäquate Dosierung sehr wichtig, da sonst Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen, Magen-Darm-Beschwerden, Kreislaufprobleme oder Entzündungen auftreten können. Bei korrekter Anwendung ist die Mistel grundsätzlich gut verträglich.

In der Volksmedizin können Tees oder Tinkturen aus Mistelblättern zum Einsatz kommen. Auch kann das zerkleinerte Kraut auf Wunden oder entzündete Stellen aufgelegt werden. Da Misteln vor allem in den Beeren toxische Substanzen enthalten, ist bei der Anwendungen Vorsicht geboten. Eine sehr schonende Behandlung kann durch homöopathische Präparate der Mistel erfolgen.

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