Auf den Spuren des «Jo-Jo-Effekts»

Die Fettzellen «erinnern» sich an den ursprünglichen Zustand

Autor: KLAUS DUFFNER

Dauerhaft abzunehmen ist enorm schwer, da über kurz oder lang der sogenannte «Jo-Jo-Effekt» droht und die verlorenen Pfunde schnell wieder drauf sind. Warum ist das so? Gemäss einer Studie der ETH Zürich sind dafür epigenetische Vorgänge verantwortlich: Die Fettzellen «erinnern» sich an den ursprünglichen Zustand.

Beim Jo-Jo-Effekt kommt es zu einer schnellen Gewichtszunahme nach vorheriger – oft sehr intensiver – Diät. Während des Fastens läuft der Körper auf «Sparflamme», umso stärker versucht er nach der Diät seine Fettdepots wieder aufzufüllen. Wer danach erneut genauso viel isst wie vor der Diät, nimmt dann oft sogar über das Ausgangsgewicht hinaus zu.

Fettdepots schnell wieder gefüllt

Dabei war der Rhythmus aus hungern ➞ abnehmen ➞ normal essen ➞ schnell zunehmen für die Evolution des Menschen durchaus sinnvoll. So konnten nach Hungerperioden die Fettdepots rasch wieder vollgefüllt werden, um für die nächste Hungerzeit gerüstet zu sein. In der heutigen Gesellschaft, wo zumeist Nahrung im Überfluss vorhanden ist, hat dieser Effekt unerwünschte Folgen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind heute mehr als eine Milliarde Menschen stark übergewichtig. In der Schweiz sind nach Angaben des Bundesamts für Gesundheit 43 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig oder adipös, von Adipositas betroffen sind zwölf Prozent.

Über die physiologischen Mechanismen, die dem Jo-Jo-Effekt zugrunde liegen, wird in letzter Zeit intensiv geforscht. So weiss man, dass die Anzahl der Fettzellen im menschlichen Körper in der Kindheit festgelegt wird und danach zeitlebens konstant bleibt. Adipöse Menschen können während einer Fastenkur lediglich das Volumen ihrer Fettzellen verringern. Menschen, die als Kind bereits übergewichtig waren, haben es deshalb besonders schwer, ihr Gewicht nach einer Diät dauerhaft niedrig zu halten.

«Die Zahl der Fettzellen
wird bereits in der
Kindheit festgelegt.»

Darm oder Hirn?

Um mehr über den Jo-Jo-Effekt zu erfahren, gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute sehr verschiedenen Ansätzen nach. So fand ein israelisches Forscherteam vor einigen Jahren heraus, dass die Darmflora bei ehemals adipösen Mäusen noch sehr lange, nachdem sie eine Abmagerungskur hinter sich hatten, verändert ist. Transplantierten die Forscher die Darmbakterien von früher dicken Mäusen in schlanke Kontrollmäuse, stellte sich bei diesen ebenfalls der Jo-Jo-Effekt ein – obwohl sie weder Übergewicht noch eine Diät hinter sich hatten.

Das Team um Katarzyna Grzelka vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln nahm hingegen die Neuronen und das Gehirn von Mäusen unter die Lupe, um dem Phänomen der starken Esslust nach einer Diät auf die Spur zu kommen. In der 2023 veröffentlichten Studie zeigte sich, dass bei einer Reduktion der Nahrungsaufnahme bestimmte Neuronen in ihrem Gehirn stärker angeregt sind. Dies wiederum führt zu einer verstärkten Erregung von Gehirnzellen im Hypothalamus, die für das Hungergefühl verantwortlich sind. Entscheidend dabei war jedoch, dass diese Übererregung der Hunger-Neuronen und ihrer Synapsen bei den Mäusen auch nach Ende einer Fastenperiode anhielt, wodurch danach mehr gefressen wurde.

Den Forschern gelang es zudem, diese Übererregung unabhängig von einer Diät künstlich auszulösen, was zu einer Gewichtszunahme führte. Sie schlossen daraus, dass der Jo-Jo-Effekt tatsächlich auf die veränderte Kommunikation im Gehirn zurückgeht und nicht auf andere Auslöser. Durch die Hemmung bestimmter Nervenbahnen gelang es, bei Mäusen das Hungergefühl zu dämpfen – ein Ansatz, der möglicherweise auch bei Menschen zu weniger Adipositas führen könnte.

Epigenetisches «Gedächtnis» fördert Jo-Jo-Effekt

Erst kürzlich fügte eine internationale Arbeitsgruppe unter Leitung der ETH Zürich ein weiteres Puzzleteilchen zum Phänomen des Jo-Jo-Effekts hinzu. Dabei spielt die Epigenetik eine zentrale Rolle. Sie zeigt, dass ebenfalls Umweltfaktoren durch chemische, «erworbene» Markierungen die Aktivität unserer Gene und Zellen beeinflussen und in manchen Fällen sogar vererben können – eine revolutionäre Erkenntnis in der modernen Biologie. «Die Epigenetik sagt einer Zelle, was für eine Zelle sie ist und was sie tun soll», so die Erstautorin der aktuellen Publikation Laura Hinte in einer Mitteilung der ETH.

Im Fall des Jo-Jo-Effekts konnten die Zürcher Forscher um Studienleiter Ferdinand von Meyenn nachweisen, dass Fettzellen ein epigenetisches «Gedächtnis» entwickeln. Sie erforschten dazu Fettzellen von übergewichtigen Mäusen und solchen, die nach einer Diät ihr Übergewicht verloren hatten. Dabei wurde deutlich, dass Fettleibigkeit zu charakteristischen epigenetischen Markierungen im Kern der Fettzellen führt. Diese Markierungen blieben auch nach einer Diät bestehen. «Die Fettzellen erinnern sich an den übergewichtigen Zustand und können leichter in diesen zurückversetzt werden», so von Meyenn. Dadurch konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass Mäuse mit dieser epigenetischen Markierung schneller an Gewicht zulegten, wenn sie wieder Zugang zu fettreicher Nahrung hatten. «Damit haben wir eine molekulare Grundlage für den Jo-Jo-Effekt gefunden», erklärte der Forscher.

Beim Menschen scheinen diese Mechanismen genauso zu wirken. Das ETH-Team analysierte Fettgewebs-Biopsien von ehemals übergewichtigen Personen aus Schweden und Deutschland, die sich einer Magenverkleinerung oder einer Magenbypass-Operation unterzogen hatten. Es zeigte sich, dass auch hier die Genaktivität mit der von Mäusen übereinstimmte. Bislang ist unbekannt, wie lange sich die Fettzellen an die Fettleibigkeit erinnern können. Derzeit ist nicht möglich, die epigenetischen Markierungen im Zellkern mit Medikamenten zu verändern und damit das epigenetische Gedächtnis zu löschen.

«Langfristige und nachhaltige
Veränderungen helfen, den
Jo-Jo-Effekt zu verhindern.»

Langfristige und behutsame Diät

Trotzdem existieren Strategien gegen den Jo-Jo-Effekt: Nicht möglichst schnell möglichst viel Kilos verlieren ist das Ziel, sondern durch eine langfristige und behutsame Diät die Energiezufuhr reduzieren. Das heisst reichlich Obst und Gemüse, mehr ungesättigte Fettsäuren, massvoll Kohlenhydrate, eine adäquate Zufuhr von Eiweiss, weniger Zucker und gesättigten Fettsäuren und keine gesüssten Getränke. Zudem sollte mit Bedacht gegessen und dem Essen die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden. Neben einer ausgewogenen Ernährung sollte regelmässiger Ausdauersport respektive Bewegung im Alltag ein fester Bestandteil eines solchen langfristigen Abnehmprogramms sein. Damit lässt sich schon einiges erreichen – egal, ob nun die Bakterien im Darm, die Neuronen im Gehirn oder die epigenetischen Marker oder alle zusammen für den Jo-Jo-Effekt verantwortlich sind.

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