Der Mensch ist grundsätzlich teamfähig

Schlüsselkompetenz im Fokus

Autor: FABRICE MÜLLER

Sind Sie teamfähig? Die meisten Menschen bezeichnen sich möglicherweise als teamfähig, schliesslich wird diese Eigenschaft in der Wirtschaft heutzutage grossgeschrieben. Doch was bedeutet Teamfähigkeit? Und was macht ein gutes Team aus?

Bei der erstmaligen Austragung des alpinen Team-Events an den Olympischen Spielen holten die Athleten von Swiss-Ski 2018 vor Österreich die Goldmedaille. Als wichtiger Faktor wurde dabei der gute Teamgeist innerhalb der Mannschaft hervorgehoben. «Eine gute Teamarbeit, aber auch die Teamfähigkeit jedes einzelnen Mitglieds, sind im Sport entscheidende Faktoren für den Erfolg», betont Jörg Wetzel, Gründer und Inhaber der Firma Sport Psychologie Wetzel GmbH und Autor des Buchs «Gold – mental stark zur Bestleistung».

Als Sportpsychologe begleitet der Berner seit über 20 Jahren verschiedene Top-Athleten und Top-Teams im Spitzensport. Zudem bietet er als Fachpsychologe Kaderausbildungen, Seminare und Workshops für Unternehmen an. Dabei lässt er seine Erfahrungen mit Spitzensportlerinnen und -sportlern einfliessen. «Wenn es um die Teamarbeit geht, kann die Wirtschaft manches aus dem Spitzensport lernen», sagt Jörg Wetzel und nennt dabei die Zielfokussierung, das Verlassen der Komfortzone, ein konsequentes Erholungsmanagement oder auch das Lernen aus Fehlern als Beispiele. «Im Sport lösen Fehler Schamgefühle aus. Es gilt, aus den Fehlern zu lernen, sei es als Team oder Einzelperson, und es künftig besser zu machen. Leider sind wir den Umgang mit Fehlern wenig gewohnt und entsprechend schlecht sozialisiert.»

Bereit sein, sich für das Team zu engagieren

Natürlich ist Teamgeist nicht nur im Sport, sondern auch in der Arbeitswelt gefragt. In vielen Stellenausschreibungen wird die Teamfähigkeit im Anforderungsprofil aufgeführt. Teamfähigkeit gilt als Schlüsselkompetenz und wird meist als selbstverständlich erwartet. Arbeitsgruppen mit hoher Ausprägung an Teamfähigkeit leisten mehr, ist der Sport- und Fachpsychologe überzeugt. «Neben den sozialen Fähigkeiten wie Interaktions-, Konfliktbewältigungs- und Kooperationskompetenz zeichnen sie sich durch methodische Fähigkeiten wie Problemlösen, Planungs- und Organisationsfähigkeit aus.»

Damit eine Gruppe von Menschen, die zusammenarbeiten, auch ein gutes Team ist, braucht es Individuen, die selbst teamfähig und kooperativ sind. Doch was bedeutet dies für jede und jeden einzelnen? «Teamfähigkeit ist das Vermögen von Personen, die Arbeit effektiv und effizient in Gruppen unter klarer Rollen- und Aufgabenverteilung sowie gemeinsamer Zielerreichung verrichten zu können», antwortet Jörg Wetzel. Je mehr Mitglieder bereit sind, sich für das Team zu engagieren, desto kohäsiver und stärker sei das Team. Jörg Wetzel spricht in diesem Zusammenhang von Teamidentität: «Im Idealfall wird der Teamgedanke im Sinne eines Commitments hochgehalten. Demzufolge nimmt man sein Ego zurück, sodass man sich als Einheit fühlen kann und auch eine Identität des Teams lebt.»

Klare Rollen und Aufgaben

Neben der persönlichen Einstellung und der sozialen Kompetenz der einzelnen Teammitglieder müssen innerhalb des Teams wie ebenfalls im Unternehmen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Team erfolgreich arbeiten kann. Wichtig seien, so Jörg Wetzel, eine Kombination aus einer gesunden Hierarchie, klaren Strukturen, Aufgabenstellungen und Rollenverteilungen sowie die gegenseitige Akzeptanz der einzelnen Teamrollen. «Der Mensch ist grundsätzlich ein soziales Wesen und daher teamfähig. Innerhalb des Teams hat er ein Bedürfnis nach Autonomie, Zusammenhalt und Anerkennung seiner Kompetenz.»

Rollen im Team

Jedes Individuum übernimmt aufgrund seiner Position, Persönlichkeit und Kompetenzen gewisse Rollen im Team – manchmal bewusst, oft jedoch auch unbewusst. Solche Rollenverteilungen sind prägend für den Teamgeist, können aber – je nach Persönlichkeit und Charakter der Teammitglieder – ungünstig verteilt sein. So unterscheidet man unter anderem zwischen Teamplayern, Kritikern, Machern, Experten, Erneuerern oder Erfindern.

Jede dieser Rollen zeichnet sich durch bestimmte Profile und soziale Eigenheiten aus. «Macher beispielsweise sind ungeduldig, der Teamplayer will seinen Kolleginnen und Kollegen bewusst machen, wo die Chancen und Gefahren eines Entscheids stehen, der Vorgesetzte selbst ist oft der Experte und fühlt sich in der Rolle des Teamführers möglicherweise gar nicht so wohl», umschreibt Jörg Wetzel die verschiedenen standardisiert dargestellten Rollentypen innerhalb eines Teams.

«Es braucht eine gewisse soziale und emotionale Intelligenz, um als Chef zu gewährleisten, dass ein Team erfolgreich geführt wird. Sind die Rollen im Team nicht ideal – zum Beispiel bei einem Übermass an Alphatieren – muss die Zusammensetzung angepasst werden.» Der Vorgesetzte dürfe die Teamarbeit auf keinen Fall dem Zufall überlassen und sollte bereits bei der Rekrutierung auf eine optimale Zusammensetzung achten.

Konflikt- und Kommunikationskultur

Wenn Teams scheitern, ob im Sport oder in der Wirtschaft, fehle es meist an den gemeinsamen Zielen, stellt Jörg Wetzel immer wieder fest. Weiter seien die Aufgaben untereinander nicht klar definiert, ebenso die Rollenverteilung. Es fehle an klaren Abmachungen und Strukturen zum Projekt wie auch zur Konflikt- und Kommunikationskultur. «Anstatt Probleme offen anzusprechen und zu diskutieren, werden sie mangels einer klaren Kommunikationskultur nicht selten auf Hinterbühnen angesprochen.»

Auch das bewusste Zulassen von Fehlern sei wichtig, betont der Psychologe. Sie helfen, daraus zu lernen und neue Lösungen für Problemstellungen zu finden. Ausserdem stärke eine Fehlerakzeptanz das gegenseitige Vertrauen im Team und erhöhe die Motivation, darüber hinaus mal etwas Neues zu wagen. «Gut funktionierende Teams sind erfolgreicher, weil sie neben ihrem Know-how auf der sozialen Ebene und aufgrund ihrer Teamdynamik einen Vorteil haben. Zudem sind sie mal bereit, für eine gewisse Zeit mehr zu leisten», ist Jörg Wetzel überzeugt und bezieht sich dabei auf seine Erfahrungen im Spitzensport.

https://www.joergwetzel.ch

Befragung zur Teamarbeit

Fragt man Bewerber im Vorstellungsgespräch nach ihren Stärken, ist Teamfähigkeit in der Regel ganz vorne dabei. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie des Jobportals Stepstone. Insgesamt 14 000 Fach- und Führungskräfte aus Deutschland befragte Stepstone zum Thema «Teamarbeit». 63 Prozent der Studienteilnehmer wünschen sich, künftige Kollegen bereits beim Vorstellungsgespräch kennenzulernen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Teammitglieder nicht nur fachlich, sondern vor allem menschlich harmonieren. Für das Gros der Befragten sind die sogenannten Basistugenden wie gute Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Verlässlichkeit entscheidend, damit die Zusammenarbeit im Team gut funktioniert. Mehr als ein Viertel der Befragten empfinden in ihrem Team die Ziele als unklar. 97 Prozent der befragten Chefs denken, dass sie stets ein offenes Ohr für ihr Team haben. Doch nur 65 Prozent der befragten Mitarbeiter haben den Eindruck, dass ihr Vorgesetzter ihnen zuhört. (Quellen: tn3.de, stepstone.de)

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