Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Wie Unverträglichkeiten sofort oder verzögert Beschwerden auslösen können
Autor: REBEKKA THÖNI TOBLER
Alle Beschwerden durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten stehen in direktem zeitlichem Zusammenhang zur Nahrungsaufnahme. Meistens treten Symptome nach ein bis zwei Stunden auf, bei FODMAP dauert es bis zu 48 Stunden.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten können in zwei Hauptgruppen unterteilt werden:
Immunologische Reaktionen:
– IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie vom Typ I (gastrointestinal und pollenkreuzreaktiv)
– Nicht IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie (sind selten! Immunreaktion vom Typ II, III, IV)
– Zöliakie
– Eosinophile Ösophagitis
Nicht immunologische Reaktionen:
– Enzymatische Intoleranzen (Laktose, Fruktose, Galaktose, Saccharose, Sorbitol, Histamin) und FODMAP (Fermentable Oligo-, Di-, Monosaccharides and Polyols)
– Pharmakologische Intoleranz (Histamin)
– Pseudoallergische Reaktionen (Konservierungsmittel, Säuerungsmittel, Emulgatoren, Arzneimittel)
Allergien
Ursache: Allergische Reaktionen sind meistens IgE-vermittelt und richten sich gegen ein oder wenige Nahrungsmittelproteine. Die Hauptrolle spielen dabei Kreuzreaktionen (pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien).
Symptome: Sie sind sehr vielfältig und treten meist innert Minuten bis weniger Stunden auf.
Orales Allergie-Syndrom: Juckreiz an den Lippen und in der Mundhöhle, selten Pharynxödem.
– Haut: Urtikaria, Quincke-Ödem, evtl. Neurodermitis-Schub
– Respirationstrakt: Konjunktivitis, Rhinitis, Asthma
– Selten: isolierte Magen-Darm-Beschwerden
Diagnosestellung: Ernährungstagebuch, um auslösende Proteine zu eruieren. Haut-Prick-Tests dienen vor allem der Ausschlussdiagnose, damit Patient:innen nicht auf Nahrungsmittel verzichten, auf die sie nicht allergisch reagieren (Cave: Fehlernährung). Der orale Provokationstest bleibt der Gold-Standard zur eindeutigen Diagnosestellung.
Therapie: Der Verzicht auf allergieauslösende Proteine ist essenziell; denn etwa 25 Prozent aller anaphylaktischen Reaktionen werden durch Allergien auf Nahrungsmittel ausgelöst. Die Abgabe mit Schulung eines Notfallsets (Antihistaminikum und Prednison) und eines Adrenalin-Autoinjektors (bei schweren anaphylaktischen Reaktionen) ist überlebenswichtig.
Intoleranzen
Bei Intoleranzen liegt meist ein Enzymmangel oder eine Malabsorption vor. Die häufigsten Nahrungsmittelintoleranzen sind gegenüber Histamin, Laktose und Fruktose.
Histaminintoleranz
Ursache: Vermutet wird ein Mangel an Diaminoxidase (DAO) als Grund einer Unverträglichkeit gegenüber oralem Histamin. Zudem wird durch gewisse Nahrungsmittel und Medikamente Histamin aus Mastzellen und Basophilen freigesetzt.
Hohe Histamin-Konzentrationen findet man:
– In lange gelagerten und gereiften Lebensmitteln: Hartkäse, Salami, Rotwein und Sekt, Sauerkraut; sowie in verdorbenen Lebensmitteln (Fisch, Fleisch, Wurst)
– Nach Verzehr von Nahrungsmitteln, die Histamin freisetzen können: Schokolade, Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Tomaten, Krabben
– Nach Einnahme von Medikamenten, die Histamin freisetzen können (NSAR, ASS, Metamizol, Opiate, einige Antibiotika, Röntgenkontrastmittel)
Symptome: Beginnen 15 Minuten bis 4 Stunden nach Einnahme, sind vielseitig mit Flush, Juckreiz, Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Urtikaria, Ekzem, Rhinitis, Müdigkeit nach Mahlzeiten; selten: Tachykardie, Schwindel und Blutdruckabfall.
Diagnose: Es gibt keinen validierten Test. Als Standard gilt 2 Wochen Histaminkarenz, dann schrittweise wieder einführen, wobei die Symptome wieder auftreten.
Therapie: Diät, die arm an Histamin, biogenen Aminen und Histaminliberatoren ist. Evtl. Daosin® (enthält DAO) ausprobieren. Evtl. Antihistaminika (doppelte Standarddosis empfohlen).
Laktoseintoleranz
Ursache: Laktasemangel (Genpolymorphismus ist autosomal-rezessiv vererbt), entwickelt sich meist zwischen dem 5. und 20. Lebensjahr. Kann sich auch sekundär nach schweren Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts einstellen. Absolute Intoleranz ist äusserst selten.
Symptome: Blähungen, Völlegefühl, Übelkeit, Durchfall, Müdigkeit, Gliederschmerzen und Schwindel.
Diagnose: Provokationstest mit zwei Gläsern Milch durchführen oder zwei Wochen konsequent auf Laktose verzichten. Alternativ: H2-Atemtest.
Therapie: Laktosearme Ernährung. Evtl. Laktase in Tablettenform (Lacdigest®) ergänzen.
Hinweis: Laktosemenge im Tablettenüberzug verursacht keine Symptome!
Fruktoseintoleranz
Ursache: Fruktose ist ein Monosaccharid und wird mittels passiver Diffusion aufgenommen. Es liegt eine physiologische Aufnahme-Kapazitätsgrenze vor.
Symptome: Schmerzen, Flatulenz, breiiger Stuhl, Durchfall, Völlegefühl, Verstopfung, Aufstossen.
Therapie: fruktosearme Diät (Ernährungsberatung empfohlen). Ebenfalls vermeiden: Sorbitol, Xylit, Isomalt, Mannit und Maltit, da sie die Fruktose-Aufnahme beeinträchtigen.
Pseudoallergien
Ursache: Unspezifische Aktivierung von Mastzellen durch Einnahme folgender Stoffe:
– Nahrungsmittelinhaltsstoffe: Lektine (in Erdbeeren, Zitrusfrüchten), Salicylate (in Beeren, Trauben, Wein, Ananas, Gurken, Oliven, Äpfeln, Aprikosen) und biogene Amine (in Hering, Kaviar, Gouda, Cheddar, Trauben, Rotwein, Tomaten)
– Konservierungsstoffe: Benzoesäure (E210–214), Sorbinsäure (E200–203), Säuerungsmittel
– Arzneimittel: NSAR, Opiate, ACE-Hemmer, Sartane, radiologische Kontrastmittel
Symptome: Sie sind sehr vielfältig und haben eine Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Therapie: wie bei Allergien (siehe oben).
Fazit
Intoleranzen sind viel häufiger (15–20 %) als Allergien (Erwachsene: 2–4 %, Kinder 7–10 %).
Eine Aversion gegen ein Nahrungsmittel, psychosomatoforme Reaktionen (der Patient ist überzeugt an einer Allergie zu leiden, ohne dass eine Allergie vorliegt) und toxische Reaktionen (nach Verzehr verdorbener Speisen) gehören weder zu den Intoleranzen noch zu den Allergien.
FODMAP
Weitere Infos
Nahrungsmittelallergie: https://www.aha.ch/allergiezentrum-schweiz/allergien-intoleranzen/nahrungsmittelallergien
Histaminintoleranz: https://www.histaminintoleranz.ch/
FODMAP: https://www.fodmaps.de/
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