Vitamin E

Das Fortpflanzungsvitamin

Autor: KLAUS DUFFNER

Das fettlösliche Vitamin E schützt unsere Zellen, indem es freie Sauerstoffradikale abfängt. Wer sich ausgewogen ernährt, nimmt über pflanzliche Lebensmittel wie Salatöle – Weizenkeim-, Sonnenblumen- und Olivenöl – meist ausreichend Vitamin E auf.

Schon 1922 konnte nachgewiesen werden, dass ein bis dahin unbekannter fettlöslicher Faktor für die Fruchtbarkeit von Ratten entscheidend ist. Wurden nämlich die Tiere neben Käse, Stärke und Schmalz nur mit den Vitaminen A, B und C gefüttert, konnten sie sich nicht mehr fortpflanzen. Erst die Gabe von Salat gab ihnen ihre Reproduktionsfähigkeit wieder zurück. In den Folgejahren wurden in pflanzlichen Produkten die dafür verantwortlichen fettlöslichen Substanzen entdeckt und unter dem Sammelbegriff Vitamin E zusammengefasst. Deren häufigste Formen werden heute als Tocopherole bezeichnet. Dieser Begriff nimmt Bezug auf die unerlässlichen Eigenschaften für die Keimdrüsen und Fortpflanzung, denn abgeleitet aus dem Altgriechischen bedeuten tókos «Geburt, Nachkommen» und phérein «tragen, bringen».

Zellschutz durch Antioxidans

Vitamin E besitzt eine zentrale Schutzfunktion für die Zellen. So ist α-Tocopherol Bestandteil aller biologischer Membranen in den Zellen des Körpers. Unter den verschiedenen Vitamin-E-Formen ist α-Tocopherol daher die am besten erforschte. Ihre wichtigste Funktion besteht darin, mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Membranfetten, Lipoproteinen und Depotfetten vor dem oxidativen Abbau durch die sogenannte Lipidperoxidation zu bewahren. Bei einer solchen Lipidperoxidation «stehlen» freie Radikale Elektronen von den Fetten der Zellmembran. Dies führt zu einer Kettenreaktion, die letztlich zu einer Schädigung der Zellen führt. Vitamin E schützt also als Antioxidans vor aggressiven Sauerstoffspezies und leistet beispielsweise beim Schutz der Gefässe einen wesentlichen Beitrag.

Kommt es zu einem Vitamin-E–Mangel, kann es seine Schutzfunktion nicht mehr in vollem Umfang ausüben. Es werden freie Radikale schlechter abgewehrt, was beispielsweise zu Schäden des Nervensystems (insbesondere der sensorischen Neuronen) und zum Abbau der Muskulatur führen kann. Entsprechend äussern sich die Symptome in Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, Nervenschmerzen und Muskelschwäche. Allerdings kommt es nur selten zu einem Vitamin-E-Mangel. Betroffen sind fast nur Menschen, die krankheitsbedingt das Vitamin über die Nahrung nicht aufnehmen oder verwerten können. Das betrifft beispielsweise Personen mit Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Menschen, denen Teile des Darms operativ entfernt werden mussten. Auch bei Mukoviszidose oder schweren Lebererkrankungen ist ein Vitamin-E-Mangel möglich. In solchen Fällen kann eine zusätzliche Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein.

Spitzenreiter Weizenkeimöl

Vitamin E wird ausschliesslich von Pflanzen hergestellt. Die ergiebigsten Quellen sind Pflanzenkeime und Saaten sowie die daraus gewonnenen Öle. Einen hohen Vitamin-E-Gehalt besitzen beispielsweise Weizenkeim-, Sonnenblumen- und Olivenöl, relativ wenig dagegen Soja- und Maiskeimöl (siehe Tabelle). Mandeln, Nüsse, Pinienkerne sowie Spargeln und Spinat sind ebenfalls gute Vitamin-E-Lieferanten, sodass ein gesunder Mensch über Lebensmittel meist ausreichend Vitamin E aufnimmt. Im menschlichen Organismus wird Vitamin E vor allem in der Leber, dem Fettgewebe und den Nebennieren gespeichert. Gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung liegt der Bedarf von Kindern (7 bis 10 Jahre) bei 9 mg/Tag und bei Erwachsenen bei 11 mg/Tag (Frauen), respektive 13 mg/Tag (Männer).

Eine Überversorgung ist durch normale Nahrungsaufnahme eigentlich nicht zu erreichen. Allerdings sind bei Nahrungsergänzungsmitteln, vor allem wenn sie längerfristig und sehr hoch dosiert eingenommen werden, Vitamin-E-Überdosierungen möglich. Symptome können dann Muskelschwäche, Übelkeit, Durchfall oder Blutungen sein.

Lebensmittel Vitamin-E-Gehalt* pro 100g/100ml Vitamin-E-Gehalt* pro Portion
Weizenkeimöl 123 mg-ATE 12 mg-ATE pro EL (10 ml)
Mayonnaise 44 mg-ATE 4 mg-ATE pro EL (10 g)
Rapsöl 30 mg-ATE 3 mg-ATE pro EL (10 ml)
Olivenöl 28 mg-ATE 3 mg-ATE pro EL (10 ml)
Mandel 27 mg-ATE 8 mg-ATE pro Portion (25 g)
Brombeere, roh 4 mg-ATE 5 mg-ATE pro Portion (120 g)
Tofu, fest, nature 1 mg-ATE 1 mg-ATE pro Portion (110 g)
Fenchel, gedämpft 0,08 mg-ATE 0,1 mg-ATE pro Portion (120 g)

*mg-ATE beschreibt die Vitamin-E-Aktivität in α-Tocopherol-Äquivalenten

EL = Esslöffel

Quelle: Schweizer Nährwertdatenbank V6.3 (https://www.sge-ssn.ch/media/ct_protected_attachments/dee1edf6afd3d2ef56718c2d303061/Vitamin-E-2022.pdf

Dr. rer. nat. Klaus Duffner ist Biologe und seit über 20 Jahren als Wissenschafts- und Medizinredaktor tätig.

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