Quälende Mini-Menstruation im Bauchraum
Endometriose
Autor: ANDREA SÖLDI
Als besonders angenehm würden wohl die wenigsten Frauen die Tage ihrer Periode beschreiben. Doch wenn die Krämpfe unerträglich werden, ist es Zeit für eine ärztliche Abklärung.
Ein paar Tage Unwohlsein oder ein Spannen im Bauchraum und unteren Rücken – das kennen wohl die meisten Frauen während der Menstruation. In der Regel bringen ein Tee und eine warme Bettflasche Linderung und manchmal schlucken Frauen ein Schmerzmittel, um sich durch den Tag zu schlagen. Doch bei einigen sind die Beschwerden deutlich schlimmer, sodass sanfte Hausmittelchen kaum nützen: Jeden Monat leiden sie an starken Bauchkrämpfen während mehrerer Tage. Weitere mögliche Symptome einer Endometriose sind diffuse Unterbauchschmerzen schon vor Einsetzen der Blutung, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Schmerzen beim Stuhlgang, Wasserlassen und Geschlechtsverkehr sowie chronische Schmerzen auch ausserhalb des Zyklus.
Die Frauenkrankheit war bis vor wenigen Jahren kaum bekannt, obwohl bis zu 15 Prozent der Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind. Sogar Gynäkologinnen und Gynäkologen haben das zugrunde liegende Problem häufig übersehen, weshalb es gut und gerne zehn Jahre dauern kann bis zu einer Diagnose. Erst in den letzten Jahren ist die Krankheit mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit vorgestossen. Dazu haben die relativ neue Disziplin der Gendermedizin beigetragen, aber auch politische Forderungen nach einem Menstruationsurlaub und besserer Erforschung.

Zellherde rund um Organe
Bei einer Endometriose gelangen Zellen der Gebärmutterschleimhaut über die Eileiter in den Bauchraum. Dort machen sie unter dem Einfluss der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron die gleiche Reifung durch wie jene in der Gebärmutter. Am Ende des Zyklus platzen sie und geben kleine Mengen Blut frei. Dies kann zu Reizungen und Entzündungen führen und mit der Zeit zu Vernarbungen. Der Körper reagiert auf die dauernden Entzündungsherde mit einer Immunreaktion.
Am häufigsten sammelt sich das Gewebe am Bauchfell, an den Eierstöcken, rund um die Gebärmutter, den Dickdarm und die Blase an und manchmal auch in der Vagina. Die Grösse der Zellansammlungen reicht von weniger als einem Millimeter bis zu mehreren Zentimetern.
Unerfüllter Kinderwunsch
Mit den Jahren verstärken sich die Beschwerden häufig, weil sich die Zellherde bei jeder Blutung vermehren. Neben dem zunehmenden Leiden kann dies zu Unfruchtbarkeit führen. «Man geht davon aus, dass ein unerfüllter Kinderwunsch bei jeder vierten Frau mit Endometriose zu tun hat», sagt die Winterthurer Gynäkologin Regula Dedial. Nicht jede Endometriose muss jedoch Beschwerden verursachen. Es gibt Frauen, bei denen im Laufe einer Bauchoperation aus anderen Gründen beträchtliche Zellherde entdeckt werden, die sich aber nie bemerkbar gemacht haben.
Sich Hilfe holen
Bei Verdacht auf Endometriose sollten Frauen sich nicht mit dem Spruch «Mensschmerzen sind normal» abwimmeln lassen, sondern auf einer gründlichen Abklärung bestehen. Bringt die Untersuchung in der gynäkologischen Praxis keine ausreichende Besserung, empfiehlt sich das Aufsuchen eines spezialisierten Endometriosezentrums, wie sie mittlerweile diverse Kliniken führen.
Viele Betroffene profitieren von einer Ernährung, die Entzündungen und Blähungen reduziert. Andere erleben entspannende Therapien wie Massagen oder physiotherapeutische Verfahren als lindernd – besonders Beckenbodentraining. Gute Erfahrungen zeigt ebenfalls die sogenannte Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS). Dabei wird die Erregung der schmerzübertragenden Nervenfasern mit einem eigenen kleinen Gerät über Elektroden blockiert.
Informationen und Tipps sind auch der Website der Selbsthilfegruppe Endohelp zu finden (www-endo-help.ch). Diese bietet darüber hinaus einen Gruppenchat an, in dem sich Betroffene austauschen können.
Hormone oder Operation
Sichtbar werden die Zellansammlungen in einer Ultraschall-Untersuchung. Manchmal braucht es für eine sichere Diagnose auch eine Bauchspiegelung. Die Untersuchung ist hingegen nicht ohne Risiken, weshalb man es häufig zuerst mit Schmerzmitteln und alternativen Methoden wie etwa Phytotherapie oder Akupunktur versucht. Tritt keine genügende Linderung ein, bietet sich eine Therapie mit Gestagen-Hormonen an, die den Monatszyklus unterdrücken. Damit können sich die Zellherde im Bauchraum nicht weiter ausbreiten oder bilden sich gar zurück. In ausgeprägten Fällen ist jedoch eine Operation nötig, bei der die Zellherde herausgeschnitten werden. Frauen mit schweren Verläufen haben teilweise mehrere grössere operative Eingriffe hinter sich.
Für die Diagnose steht seit letztem Jahr auch ein Speicheltest zur Verfügung, der eine hohe Genauigkeit verspricht. Regula Dedial ist aber nicht überzeugt, dass der Nutzen die hohen Kosten rechtfertigt: Denn nicht jede Endometriose führe zu Beschwerden und umgekehrt könnten nicht alle Schmerzen auf eine Endometriose zurückgeführt werden. «Die Gewissheit kann auch belastend sein.»

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