Kampf gegen Kilos in den Wechseljahren

Speckrollen statt flacher Bauch

Autor: Andrea Söldi

Ab 50 haben viele Frauen mehr Mühe, ihr Gewicht zu halten. Das hat verschiedene Gründe.Es ist perfid: Jahrelang passten Kleidergrösse S oder M. Doch etwa um das 50. Lebensjahr herum wird die Lieblingsjeans plötzlich zu eng und frau ist gezwungen, sich im Regal bei den L-Grössen umzuschauen. Ein Ärgernis, das in den Wechseljahren weit verbreitet ist und sogar Frauen betrifft, die sich etwa gleich ernähren wie früher und weiterhin Sport treiben.

Für die Gewichtszunahme gibt es mehrere Gründe, die sich zum Teil gegenseitig beeinflussen. Zuerst einmal gehen in den Wechseljahren die Östrogene zurück. Damit sinkt der Grundumsatz des Körpers. Zudem regulieren die Östrogene im Gehirn den Appetit und steigern die Lust auf Bewegung, weshalb mit dem Hormonspiegel häufig auch die Motivation für körperliche Betätigung sinkt. Kommen noch chronische Erkrankungen wie etwa Gelenkveränderungen, Knieprobleme oder Rückenschmerzen hinzu, schränken diese den Bewegungsdrang zusätzlich ein.

Die Wechseljahre beginnen etwa im Alter von 40 Jahren. Die Menstruation wird unregelmässiger und bleibt mit der Zeit ganz weg. Die letzte spontane Blutung heisst Menopause. Sie tritt durchschnittlich im Alter von 51 Jahren auf. Häufig sind die Wechseljahre mit diversen lästigen Beschwerden verbunden. Neben Gewichtszunahme sind Hitzewallungen, Schlafstörungen, Müdigkeit, trockenere Schleimhäute und Stimmungsschwankungen verbreitet. Einige dieser typischen Symptome können eine Gewichtszunahme weiter verstärken – zum Beispiel Schlafstörungen und Stress. Die Phase der hormonellen Umstellung dauert vier bis acht Jahre. Danach kommt der postmenopausale Lebensabschnitt, in dem sich der Hormonspiegel meist wieder stabiler verhält und die Symptome zurückgehen.

Medikamente machen hungrig
Gegen Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen und depressive Zustände werden zudem häufig Antidepressiva verordnet. Ein Grossteil davon regt den Appetit an, was wiederum zu mehr Kilos führen kann. «Wird das Körpergewicht zu einem ernsthaften Problem, schaue ich stets auch die Liste an Medikamenten an», sagt Petra Stute, stellvertretende Chefärztin der Gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Berner Inselspital. Oft gelte es dann, eine Güterabwägung vorzunehmen, bei welcher der Nutzen des Mittels im Verhältnis zu den Nebenwirkungen betrachtet werde. Manchmal gebe es genauso Alternativen mit weniger oder anderen unerwünschten Wirkungen, weiss die Ärztin.

Viele Frauen in den Wechseljahren begegnen dem Hormonmangel auch durch eine Östrogen-Ersatztherapie, um die Beschwerden zu reduzieren. Entgegen dem weitverbreiteten Glauben, dass Frauen damit zunehmen, stabilisiere diese das Gewicht, betont Stute: «Frauen ohne Hormontherapie nehmen in den Wechseljahren mehr zu als solche ohne.» Der günstige Einfluss auf die Figur sei aber kein ausreichender Grund, um Hormone zu verschreiben, obwohl die Gesundheitsrisiken bei einer optimalen Dosierung heutzutage klein seien. Die Gefahr für Brustkrebs zum Beispiel steigt erst nach fünfjähriger Einnahme leicht an und Thrombosen treten bei einer Verabreichung über ein Pflaster oder Gel nicht häufiger auf als ohne Hormontherapie.

So stabilisieren Sie Ihr Gewicht

Spaghetti Carbonara, Schnipo, Käseschnitte, Wurstsalat oder Gipfeli – viele hierzulande gängige Ernährungsgewohnheiten sind ungünstig für Menschen, die auf die Linie achten sollten. Traditionelle Mahlzeiten enthalten oft zu viele Kohlenhydrate und Fette für Personen, die nicht körperlich arbeiten. Viele, die in der Jugend noch herzhaft zuschlagen konnten, müssen mit zunehmendem Alter bewusster essen.

Leere Kalorien reduzieren

Wer nun einfach kleinere Portionen schöpft oder eine Mahlzeit pro Tag auslässt, riskiert einen Mangel an gewissen Nährstoffen. Denn der Körper braucht in späteren Lebensjahren zwar weniger Kalorien, jedoch immer noch gleich viele oder sogar mehr Proteine, Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe. Sinnvoll ist deshalb, sogenannt leere Kalorien zu reduzieren: Zucker, Weissbrot, weisser Reis oder Teigwaren enthalten vor allem Kohlenhydrate, aber kaum wertvolle Nährstoffe. Nehmen Sie deshalb mehr Vollkornprodukte, Früchte und Gemüse zu sich sowie genügend eiweisshaltige Nahrungsmittel wie etwa Nüsse, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte oder mit Mass auch Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier. Seien Sie zurückhaltend mit Fett und Öl sowie geben Sie hochwertigen Pflanzenölen den Vorzug – etwa Raps-, Leinen-, Baumnuss- oder Olivenöl. Nehmen Sie darüber hinaus genügend ungesüsste Getränke zu sich.

Muskelrückgang senkt Umsatz
Gewichtszunahme um die 50 ist hingegen keineswegs ein reines Frauenproblem. Auch bei zahlreichen Männern wölbt sich unter dem Hemd in dieser Phase oder schon früher ein beträchtlicher Bauch. Dabei können hormonelle Veränderungen wie etwa ein Rückgang des Testosterons ebenfalls eine Rolle spielen. Ein weiterer Grund ist bei beiden Geschlechtern, dass die Muskelmasse kontinuierlich zurückgeht, wenn man diesem Prozess nicht mit Krafttraining entgegenwirkt. Der Abbau beginnt bereits mit 30 Jahren und verschärft sich mit zunehmendem Alter. Ein kleinerer Muskelanteil trägt dazu bei, dass der Körper bei gleichbleibender Aktivität weniger Energie verbraucht. Denn der Grossteil der Kalorien wird in der Muskulatur verbrannt.

Männer neigen generell eher dazu, am Bauch Fett anzusetzen, während dies bei Frauen häufig erst ab den Wechseljahren der Fall ist. Die sogenannte viszerale Fettspeicherung – im Volksmund die Apfel-Form – ist besonders problematisch, weil sie das Risiko für diverse Erkrankungen stärker steigert als die Birnen-Form mit hauptsächlicher Fettansammlung an den Hüften und Beinen. Wenn sich Fett rund um die Organe im Bauchraum ansammelt, werden entzündungsfördernde Botenstoffe gebildet. Diese steigern das Risiko für Bluthochdruck, verbunden mit Herzinfarkt und Schlaganfällen, aber auch Demenz, Fettleber, Zuckerkrankheit und Krebserkrankungen.

Für bisher schlanke Frauen seien ein paar Kilos mehr keine Katastrophe, betont Petra Stute. Wer sich mit dem Gewicht bisher eher im unteren Bereich bewegte, kann sogar von einer leichten Zunahme profitieren: Fülligere Frauen haben meist etwas weniger Falten im Gesicht. Kippt die Figur jedoch in den ungesunden Bereich, empfiehlt die Ärztin eine Umstellung der Ernährung (s. Box), kombiniert mit regelmässiger, anstrengender Bewegung in Form von Ausdauer- und Kraftsport. «Spazierengehen allein reicht nicht.»

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